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Kochstube
Chris Weittenhiller

von Chris Weittenhiller

24. März 2023

Kochstube

Henne, Hase & Hefeteig: Das Leutascher Osterfrühstück

In Leutasch steht der Osterhase früh auf, richtig früh. So früh, dass er eigentlich gar nicht wirklich schlafen geht. Denn in der Nacht von Karfreitag auf Samstag glühen in der Bäckerei Pichler im Ortsteil Gasse die Backöfen. Bis zum Morgengrauen entstehen hier über 200 ganz besondere Osterbackstücke – neben den üblichen Bäckereiwaren für ein Osterwochenende. Und weil man nur selten hinter die Kulissen alter Bräuche blicken kann, haben wir dem Osterhasen dabei frech über die Schulter geschaut.

Leutascher Osterbräuche

In Leutasch (unter Einheimischen „Luitasch“) kann man noch viele Bräuche und Traditionen finden, die das Leben der Talbewohner prägen und ihre Kultur und Geschichte widerspiegeln. Gerade zur Osterzeit werden viele dieser Traditionen besonders sichtbar und lebendig: So beginnt schon die Fastenzeit vor Ostern mit dem gemeinsamen Verzehr einfacher Fastensuppen am Aschermittwoch. Einen weiteren auffälligen Osterbrauch markiert auch der Palmsonntag, wo die Dorfkinder nach der Weihe in der Pfarrkirche St. Magdalena ihre aufwändig geschmückten Palmbuschen von Tür zu Tür tragen und man für eine kleine Spende ein Stück vom heiligen Buschen abschneiden darf. Ihren Ursprung nimmt diese Tradition in der biblischen Erzählung von Jesus, den die Menschen in Jerusalem mit Palmzweigen begrüßten. Den Höhepunkt der Feierlichkeiten markiert jedoch zweifelsohne das traditionelle Ostersonntagsfrühstück – wo auch endlich Hase und Henne ins Rampenlicht rücken.

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Der Luitascher Gotlpack

Zum Osterfest ist es in Leutasch nämlich seit vielen Generationen Brauch, dass Geti und Goti (Taufpate und -patin) ihre Schützlinge mit einem besondern Osterzopf für die ganze Familie beschenken: Für die Burschen einen Hasen, für die Madln eine Henne – so will es der Brauch. Früher habe ich zu Ostern auch so einen Hefeteighasen bekommen, heute bin ich längst selbst so ein „Luitascher Geti“. Und so finde ich mich am Karfreitag abends in der Bäckerei Pichler für die wahrscheinlich längste Backnacht des Jahres ein, denn die gut 200 vorbestellten Ostergaben entstehen zusätzlich zu den übrigen Wochenend-Backwaren der Bäckerei. Diesmal allerdings darf ich die traditionsreiche Osterhenne dort ausnahmsweise sogar selbst backen. Als die Luitascher längst in ihren gemütlichen Stuben sitzen, öffnet mir Meisterbäcker Romed Pichler persönlich die schwere Schwingtür, klopft sich den Mehlstaub aus der Schürze und reicht mir eine schwere weiße Hand: Ja servus, du kommst grad richtig, wir sind schon mittendrin!

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Hase, Henne & Urgroßvaters Hefeteig

In der Backstube hängt neben der drückenden Hitze der Backöfen auch eine unverkennbare Hefewolke, denn in großen Kesseln warten schon gut 100 Kilogramm Germteig (Hefe heißt in Tirol Germ) auf die geübten Handgriffe der Belegschaft. Wie daraus über 200 verschieden große Hennen und Hasen werden? Drei Burschen und ich stehen heute in der Backstube Pichler, Mama und Oma übernehmen am Morgen den Verkauf – ein waschechter Leutascher Familienbetrieb eben. Die alte Oster-Backtradition ist hier schon seit der Gründung 1931 durch Urgroßvater Pichler überliefert, der Hefeteig ist bis heute derselbe, sogar die Mengenangaben in Dekagramm:

  • 100dag (1 kg) Weizenmehl (W700)
  • 40 dl (400 ml) Wasser
  • 10 dl (100 ml) Milch
  • 6 dag (60 g) Hefe
  • 12 dag (120 g) Margarine/Butter
  • 12 dag (120 g) Zucker
  • 2 Bio-Freilandeier
  • 1,5 dag (15g) Salz
  • plus ein paar Rosinen für die Augen
  • (Und eine handschriftliche Notiz vom Urgroßvater:
  • Gut durchkneten. Erst nach einer Teigruhe von etwa 10 Minuten weiterarbeiten.)
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Der erste Ostermorgen

Ziemlich genau zwölf Stunden später ist es geschafft, es ist Samstag. Meine Arme sind schwer und meine Augen so klein, wie die Rosinenaugen der golden glänzenden Hennen und Hasen. Trotzdem ist das Gefühl schon ein ganz besonderes, aus der Backstube in den Sonnenaufgang zu treten, wo sich die frische Frühlingsluft und der Duft der Backwaren mischen. Gleich knirscht das Lieferauto durch die gekieste Einfahrt, bald sperrt auch die Oma die Backtheke auf. Ich bin im weitläufigen Leutascher Hochtal heute trotzdem der allererste, der den großen Pichler-Papiersack mit seiner backfrischen Gotlhenne überreicht bekommt – frischer geht’s echt nicht. Ein gutes Kilo bringt das Prachtstück auf die Waage, leicht genug für ein Osterfrühstück für bis zu acht Personen. Gegessen werden Hase und Henne dann übrigens süß, nur mit Leutascher Bauernbutter. Und sollte doch mal etwas vom traditionsreichen „Luitascher Osterzopf“ übrigbleiben, schmeckt er in warme Milch oder Frühstückskaffee getunkt auch noch ein zweites Mal.

Leutasch Baeckerei Pichler Gotlpack Henne & Hase
Typisch Luitasch

Viele der heutigen Osterbräuche führen christliche Überlieferungen und heidnische Bräuche zusammen: Ein Fest zu Ehren der babylonischen Fruchtbarkeitsgöttin Ishtar, den Hasen als Begleittier der germanischen Frühlingsgötting Ostara, die heidnischen Sonnenfeuer zum Frühlingsbeginn oder das jüdische Pessachfest, das an die Befreiung des Volkes Israel erinnert. Die Tradition der süßen Osterhennen und -hasen gibt es auf Tirols Hochplateau jedoch nur im Leutascher Hochtal – vielleicht auch, weil die Bäckerei Pichler die vielen Bestellungen (möglich bis Karfreitag) nur im Gemeindegebiet ausliefert. So nehmen manche auch den Weg von Seefeld, Scharnitz oder sogar Bayern auf sich, um den besonderen Osterbrauch genießen zu können. Je nach Größe und Gewicht bekommt man für 5 bis 15 Euro ein echtes Prachtexemplar – wer sich nicht für ein Tier entscheiden kann oder keine Patenkinder hat, kriegt einfach eine Osterbreze gebacken. Entgehen lassen sollte man sich die Gelegenheit jedenfalls nicht – sonst muss man nämlich ein ganzes Jahr lang warten, bis der Osterhase wieder kommt.

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