von Kathrin Ebenhoch
08. Mai 2024
Plateau Pionier
Bio Hotel Leutascherhof - Familie Wandl
Das BIO Hotel Leutascherhof von Eveline und Christian Wandl kann die Bezeichnung Plateau Pionier wirklich mit Stolz tragen. Nur bei wenigen Betrieben ist der Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanke so fest in der Hotel- und Familiengeschichte verwurzelt wie hier. „Er ist nicht das Sahnehäubchen, sondern der Grundsatz unseres täglichen Handelns“, sagt Gastgeber Christian Wandl mit Überzeugung. In die 2022 gegründete Gruppe der Plateau Pioniere federführend mit einzusteigen war daher selbstverständlich für ihn. „Denn zum neuen Weg eines nachhaltigen Tourismus in der Region gibt es für uns schon lange keine Alternative mehr.“ Für dieses Engagement bekam der Leutascherhof im Juni 2023 das Österreichische Umweltzeichen und das EU-Ecolabel für Betriebe verliehen.
Denn zum neuen Weg eines nachhaltigen Tourismus in der Region gibt es für uns schon lange keine Alternative mehr.
Christians Eltern, Margit und Otto Wandl kauften den 1918 erbauten Leutascherhof 1993. Der Hof war seit jeher ein Gasthaus und beherbergte lange Zeit auch das öffentliche Schwimmbad von Leutasch. Diese Zeiten sind längst Geschichte. Denn obwohl sie erfolgreich ein Vier-Sterne-Hotel betreiben, entschied sich Familie Wandl gegen einen riesigen Wellnessbereich mit Pool. Ihre Wohlfühlalm bietet naturnahe Saunen, Ruheraum, Infrarotkabine und Dampfbad, zum Schwimmen und Plantschen werden die Gäste aber ins nahe gelegene öffentliche Alpenbad Leutasch eingeladen. Denn warum sollte man etwas schaffen, das in der Region schon existiert und einwandfrei funktioniert? Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie im Leutascherhof gesamtregional weitergedacht wird. Auch das Konzept des Verleihens wird konsequent gelebt – in jedem Zimmer liegt ein Leihrucksack breit, an der Rezeption gibt es ferner Regenjacken, Bergschuhe, Wanderstöcke und Kinderkraxen.
Die Vision vom Biotal Leutasch
Schon Margit und Otto verfolgten das Ziel etwas für die Region zu bewegen und haben seit jeher die Vision vom Leutaschtal als Biotal. Als Küchenchef verwendete Otto möglichst nur Lebensmittel heimischer Produzenten, um seinen Gästen gute Qualität bieten zu können. 2008 reichte das nicht mehr, ein zusätzliches Kriterium musste gefunden werden. „Die Qualität vieler zugekaufter Produkte hatte nachgelassen, vieles wurde nur mehr über den Preis bestimmt“, erinnert sich Christian. „Mein Vater hat mir zu Beginn der Sommersaison gesagt: ‚entweder wir stellen auf 100% Bio um, oder ich hör‘ auf‘.“ Da Vater Otto immer schon einen Plan in petto hat, bevor er etwas ausspricht, ging die Umstellung recht zackig. Vier Monate und unzählige Arbeitsstunden später, wurde der Leutascherhof am 1. Oktober 2008 zum zertifizierten Biohotel; seitdem kommt nichts mehr auf den Teller, das nicht aus biologischer Landwirtschaft stammt. Aufgrund dieser Konsequenz fällt manchmal die Entscheidung auch gegen regionale Produkte. „Doch das wird zum Glück immer seltener, die regionale Bioproduktion immer umfassender.“ Eine überzeugte Entscheidung einzelner kann oft viel bewirken.
Aus Erfahrung wird Engagement
Diese Erfahrung treibt Wandl an: Nicht nur dazu sich bei den Plateau Pionieren zu engagieren und so Vorbild für möglichst viele Betriebe auf Tirols Hochplateau zu sein, sondern auch im Ehrenamt Posten zu übernehmen, in denen er etwas bewegen und verändern kann. So ist er seit vielen Jahren mit viel Herzblut Vorstand im Tourismusverband Seefeld sowie Obmann vom Naturpark Karwendel und von den österreichischen Biowirt:innen. Mit dem Naturpark startete er vor sechs Jahren ein besonders Projekt: die Lebensbäume. „Jeder Gast kann bei uns über einen Holzspecht an der Tür wählen, ob sein Zimmer geputzt werden soll oder nicht. Entfällt der Zimmerputz, gehen drei Euro in den Lebensbaumtopf.“ Auch beim Verkauf bestimmter Bioweine werden je drei Euro in den Topf gegeben. Mit dem Geld wurden in den vergangenen fünf Jahren rund 150 Totholzbäume gekauft, die nun weitere 30 Jahre stehenbleiben dürfen und so einen wichtigen Dienst für die Biodiversität tun. „Es klingt im ersten Moment absurd, aber sie sind unglaublich wichtig für Spechte, Eulen und viele andere Tiere in unseren Wäldern“, erklärt Wandl. 2023 wird mit dem Geld das ehrenamtliche Team Karwendel unterstützt, das wichtige Hege- und Pflegearbeiten im Naturpark übernimmt.
Der CO2 Abdruck als objektiver Schlüssel
Klingt eigentlich schon ziemlich beeindruckend, was sich im Leutascherhof alles bewegt? „Nein, denn es geht noch viel mehr“, gibt Wandl unumwunden zu. Einen ersten erschreckenden Aha-Moment hatte der von Gütesiegeln faszinierte Geschäftsmann 2010, als er nach zwei Jahren Biohotel den CO2 Abdruck bestimmen ließ. Das Ergebnis 26 Kilogramm pro Übernachtung. „Um mir ein Bild zu machen, hab‘ ich 26 Packl Mehl auf einen Tisch gestellt“, erzählt er. „Und dann an unsere 22.000 Übernachtungen pro Jahr gedacht.“ Sein Fazit war sofort: „So geht es nicht.“ Viele kleine Projekte zur CO2 Reduktion folgten. Eines der Spannendsten – die nachhaltige Mitarbeiterkleidung aus dem Hause Peggy Lukac Design Berlin. „Inspiriert von den Schürzenkleidern der alten Bäuerinnen ließen wir aus alten Tischdecken und Bettwäsche dirndlähnliche Kleider für unser Serviceteam anfertigen.“ Jedes Stück ist ein Unikat mit teils 60 Jahre alter (Stoff-)Geschichte.
Mutige Schritte für die Zukunft
Mutige Schritte wie dieser regen immer wieder spannende Gespräche mit Personal und Gästen zu Nachhaltigkeit und Zukunft an. Und so hält das Hotel 2022, viele kleine Projekte später, bei 6,8kg CO2/Übernachtung. Eine beeindruckende Reduktion, die Wandl und seiner Frau Eveline aber immer noch nicht genug ist. „Für den 1,5 Grad Pfad müssen wir noch einmal zwei Drittel reduzieren; das wird eine echte Herausforderung.“ Denn Familie Wandl will so wie die anderen Plateau Pioniere die Reduktion über echte Einsparungen im Betrieb, kontrolliert durch konkrete Kennzahlen, erreichen. Der Weg dorthin wird wehtun, dessen sind sich Wandls bewusst. „Daher ist es wichtig, dass wir Pioniere uns gegenseitig pushen und am besten 50 bis 60 weitere Betriebe mit ins Boot holen.“
Der Leutascherhof jedenfalls setzt schon zu den nächsten Schritten an: Das Ersetzen der fossilen Energie durch biologische Alternativen, die intensivere Nutzung öffentlicher Mobilität sowie Anreize für eine öffentliche Anreise der Gäste. Außerdem entsteht gerade ein biodiverser Garten so wie er für die Region einmal ursprünglich war. „Das sieht aktuell noch nicht sehr hübsch aus, doch das gehört dazu“, sagt Wandl und zeigt stolz auf kleine Totholzstämme, steinigen Humus, aus dem unzähligen Wildblumen sprießen, und einen kleinen Naturteich. Das Gefühl, das dieser Anblick auslöst, lässt sich kurz so beschreiben: Die Zukunft wird anders, aber gut!
Daher ist es wichtig, dass wir Pioniere uns gegenseitig pushen und am besten 50 bis 60 weitere Betriebe mit ins Boot holen.
Die Fakten in kompakter Form findet ihr im Steckbrief. Weitere Informationen zu den Plateau Pionieren gibt’s hier.