von Kathrin Ebenhoch
20. Juni 2024
PLATEAU PIONIER UND EXPERTE
Der Naturpark Karwendel
Der Naturpark Karwendel ist ein besonderer Partner in der Gruppe der Plateau Pioniere: Er ist Pionier und Experte in einem und fungiert vor allem beim Thema Biodiversität als Berater und Korrektiv. Das Pioniersein liegt dem Verein und seinen Mitarbeitern im Blut, genauso wie die Ehrlichkeit, dass keiner perfekt ist und selbst das größte Schutzgebiet Tirols noch einige Hausaufgaben beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu erledigen hat.
Es liegt uns sozusagen im Blut. Wir sind überzeugt von unseren Idealen, trauen uns mit ihnen voranzugehen, und halten auch dann durch, wenn es mal schwer wird
Aktuell ist Anton Heufelder der Geschäftsführer des Naturparks, ihm vorangegangen war Hermann Sonntag, der federführend an der Nachhaltigkeits-Initiative der Region Seefeld und an der Gründung der Plateau Pioniere beteiligt war. Zusammen mit Franz Straubinger, der seinerzeit zuerst für den Naturpark und in Folge für den TVB tätig war, brachte er den Stein ins Rollen. Der Schritt schließlich selbst Mitglied der Gruppe zu werden war dann ein kleiner. „Die Verbindung zum TVB und zu den Betrieben der Region ist seit jeher eng“, sagt Heufelder und verweist auf das Infozentrum in Scharnitz, das von Naturpark und TVB gemeinsam genutzt wird. „Außerdem war es reizvoll, unser Wissen zum Thema Umweltschutz und Biodiversität miteinzubringen.“ Der Vorteil für die gesamte Gruppe einen Experten und Berater in den eignen Reihen zu haben ist groß.
Das Pioniersein im Blut
Der Naturpark ist Vorreiter und Anschieber im Pioniersein. „Es liegt uns sozusagen im Blut. Wir sind überzeugt von unseren Idealen, trauen uns mit ihnen voranzugehen, und halten auch dann durch, wenn es mal schwer wird“, sagt Heufelder. Diese Haltung ist dabei nicht von oben vorgegeben, im Gegenteil sie fußt auf der flachen Hierarchie des Vereins, in der jeder seine eigenen Verantwortlichkeiten hat und jeder seine eignen Ideen einbringen kann. So ist das Commitment entsprechend hoch. 2015 entstand hieraus das WÖFFI Projekt, bei dem alle Wanderungen im Naturpark mit öffentlichen Verkehrsmitteln abgestimmt und in einer Broschüre beschrieben wurden; auch die geführten Wanderungen im Schutzgebiet wurden an die Öffis angepasst. Nur ein Jahr später gab man das Konzept an alle anderen Naturparks in Tirol weiter. 2024 erscheint ein solcher Ansatz bereits als selbstverständlich, ohne die Vorreiter im Karwendel wäre dies aber wohl nicht so.
Klimawandel und Bewusstseinsbildung
Der Fokus im Schutzgebiet Karwendel liegt auf dem Erhalt der natürlichen Vielfalt der Alpenwelt. Im Naturpark heißt das, dafür zu sorgen, dass sich die Natur in Ruhe entwickeln kann und möglichst wenig vom Menschen gestört wird. In einem der beliebtesten Naherholungsgebiete keine einfache Aufgabe, die viel Kommunikation und Bewusstseinsbildung erfordert. Auch hier beschreitet der Naturpark innovative Wege. So wurde eine Klimapädagogik-Ausbildung ins Leben gerufen, in der man lernt, Menschen den Klimawandel und seine Folgen näher zu bringen. „Im Rahmen der ersten Ausbildungsrunden sind spannende Bildungsprojekte, wie das KlimaTop Reither Moor, entstanden und teils auch schon für Besucher umgesetzt worden“, erzählt Heufelder. Um Bildung geht es auch in den Kooperationen mit den regionalen Schulen – alle am Seefelder Plateau sind bereits prädikatisierte Naturparkschulen. Das bedeutet, dass den Schüler:innen im Unterricht und an Projekttagen Umwelt- und Klimaschutzthemen näher gebracht werden und sie Entwicklungen und Auswirkungen des Klimawandels live vor Ort erleben können.
Live dabei ist man auch als Mitglied des Team Karwendel, jener Freiwilligengruppe, die der Naturpark 2012 initiierte, und die ihn in seiner Arbeit aktiv unterstützt. Schwerpunkt hier die Almpflege, die sehr zeitaufwendig ist und so von den Almbesitzern oft nicht mehr ausreichend erledigt werden kann. „Das Schwenden* gegen die Verbuschung ist aber essentiell um die Artenvielfalt zu erhalten“ erklärt der Geschäftsführer. „Wenn man in einer größeren Gruppe geht, kommt man an einem Wochenende sehr weit.“ Mittlerweile sind die Aktionen auf Monate „ausgebucht“ – so viele begeisterte Freiwillige konnte man akquirieren.
Kommunikation auf allen Ebenen
Die Artenvielfalt oder im Fachjargon Biodiversität ist das Steckenpferd des Naturparks. Ihre Quelle Totholz im Wald und die richtige Pflege der Kulturlandschaften. Darum machen sich Heufelder, sein Team und mit ihnen die Plateau Pioniere auch stark für eine nachhaltig ausgelegte Landwirtschaft. Dazu gehören unter anderem das nur einmalige Mähen der Wiesen und das Sauberhalten von Hundekot. Vorbildlich für beides stehen die Leutascher Talwiesen, die durch ihren Artenreichtum nicht nur Experten begeistern. Trotzdem ist auch hier Bewusstseinsbildung gefragt. So wurden die von Gästen manchmal als „schlampig“ empfundenen Wiesen mit Tafeln „Das ist nicht gschlampert, das ist Artenvielfalt!“ ausgestattet sowie in allen Betrieben Infoflyer ausgelegt. Zusätzlich gibt es Führungen und im gesamten Naturparkt Hinweise auf die (V)Erhaltensregeln zum richtigen Verhalten und Erhalten der bunten Pracht.
Oft ist es vor Ort aber schon zu spät um einzugreifen, wenn tausende Erholungssuchende in die Karwendeltäler strömen und die letzten noch unberührten Plätze entdecken wollen. „Darum haben wir mit unserer digitalen Rangerin begonnen, schon bei der Tourenplanung lenkend einzugreifen“, sagt Heufelder. Iris Trikha screent die Social Media Plattformen auf Posts, Tipps und Routen, die nicht den Naturparkregeln entsprechen. Wird sie fündig, schreibt sie die Urheber an, sucht den Dialog und leistet Überzeugungsarbeit; oftmals mit Erfolg. „In der Coronazeit sind unsere Schluchten sehr beliebt gewesen, inklusive Campen und Lagerfeuern (beides verboten)“, erzählt der Geschäftsführer. „Iris hat es geschafft, dass auf Instagram 80% der Geotags gelöscht wurden.“ Dieses Frühjahr ist zudem ein Euregio-Projekt zu besseren Besucherlenkung angelaufen. Dieses befindet sich aktuell in der Monitoring-Phase, in der die Besucherströme an den neuralgischen Punkten, wie in den Eingängen der Karwendeltäler gemessen werden.
Auch bei den Plateau Pionieren braucht es manchmal Überzeugungsarbeit und Lenkung. Doch sie kommen meist von selbst auf den Naturpark zu, wenn es ums Thema Biodiversität geht. Heufelder und seine Kollegen haben dann sowohl Kontakte zu Experten als auch ein paar einfache Tipps parat: „Um Haus oder Hotel sollte man natürliche, insektenfreundliche Blühwiesen anlegen. Wälder, die einem gehören, sollten klimafit werden und ausreichend Totholzbestände für Spechte und viele anderen Arten bereithalten. Und in der Region sollten wir alle mithelfen, die Menschen zu sensibilisieren und unsere vorbildlichen Bewirtschafter (Bauern) zu unterstützen.“
Musterschüler mit Hausaufgaben
Tipps und Kritik machen aber auch vor einem Musterschüler in Sachen Nachhaltigkeit nicht halt. „Keiner ist perfekt, und wir haben sicher noch viel Potenzial, vor allem, was die Co2 Einsparungen angeht“, gibt Heufelder offen zu. Der größte Dorn im Auge, die Fahrzeugflotte. In einem ersten Schritt bekamen alle Mitarbeiter ein VVT-Klimaticket und sind angehalten öffentlich zur Arbeit zu kommen und ihre Dienstwege mit Bus oder Bahn zurückzulegen. Als nächstes wurden e-Bikes für die Ranger angeschafft, die sie so oft wie möglich für ihre Fahrten in die Täler nutzen. Doch vieles ist im Naturpark nach wie vor nur mit Autos oder schwerem Gefährt zu bewerkstelligen. „Hier auf eine saubere Lösung umzusteigen, wird die Aufgabe der kommenden Jahre.“ Eine ebenso wichtige und wahrscheinlich weit größere Aufgabe ist die Sogwirkung, die Naturpark und Plateau Pioniere zusammen entfalten müssen, um immer mehr Menschen und Betriebe von ihrem Weg zu begeistern. „Denn Umweltschutz und Nachhaltigkeit dürfen auf keinen Fall in einer elitären Bubble stecken bleiben.“
Denn Umweltschutz und Nachhaltigkeit dürfen auf keinen Fall in einer elitären Bubble stecken bleiben.
Die Fakten in kompakter Form findet ihr im Steckbrief. Weitere Informationen zu den Plateau Pionieren gibt’s hier.
*Schwenden = Das Entfernen von unerwünschten Büschen, Sträuchern und Bäumen auf den Almen.