von Tessa Mellinger
25. April 2020
REGIONS-ORIGINALE
Auf neuen alten Wegen: Bäuerin Simone Neuner
Am Eingang des Gaistals schmiegt sich der Wirtseppelerhof in die idyllische Landschaft. Die Ausstrahlung des Bauernhofes hat eine magische Anziehungskraft. Dass sie den Hof einmal so führen würden, hätten sich Simone und Matthias Neuner noch vor einigen Jahren nie erträumt. Heute ist die Quereinsteigerin Simone Bio-Bäuerin aus Leidenschaft und bewahrt altes Wissen über Kräuter.
Den Wirtseppelerhof als Vollerwerb zu führen, war eigentlich nie Simones und Matthias‘ Plan. Ursprünglich hat Simone Wirtschaftsinformatik studiert und als sie während des Studiums Matthias kennen lernte, war ihr gar nicht so bewusst, dass er eine Landwirtschaft hat, die sie einmal übernehmen würde. Aber das Leben spielt einem manchmal eben einen Streich, und so wurde Simone Kräuterpädagogin, Kartoffel-Bäuerin, Hofladenbesitzerin, Vermieterin, zweifache Mama und Mädchen für einfach alles.
Simone Neuner vom Wirtseppelerhof stolz neben ihrer Ernte
Die Uroma wusste es besser
Ihre Liebe zu Kräutern vermittelte ihr einst schon ihre Uroma, die ein fast unendliches Wissen über die Kraft der Natur hatte. „Das ist über die Generationen hinweg verloren gegangen“, bedauert Simone. Dieses Wissen hat sie sich wieder angeeignet und ist bestrebt, es zu erhalten und weiterzugeben. Im Sommer findet man sie daher meistens stundenlang in ihrem Kräutergarten, beim Einpflanzen, Jäten oder Ernten. Und wenn sie nicht dort ist, ist sie im Hofladen, im Stall, auf dem Feld, in den Ferienwohnungen, bei den Gästen oder beim Verarbeiten ihrer vielen Produkte. Die Aufgaben von Simone und Matthias sind so vielfältig wie die Kräuter in ihrem Garten. „Hier ist wirklich kein Tag wie der andere!“, lachen die beiden. Und dennoch wirken sie tiefenentspannt. „Das bin ich nicht immer!“, sagt Simone, „aber ich kenne ja die richtigen Kräuter dagegen!“ Ihr Lachen schwingt durch die Luft, die vom nahenden Gewitter aufgeladen ist.
Einen Arbeitsalltag gibt es am Wirtseppelerhof nicht – zum Glück! Durchschnaufen und Pause machen können Simone und Matthias nach einem langen Sommer erst, wenn die Schneedecke liegt.
Experiment Bio-Bauernhof
Die verschiedenen Standbeine des Bio-Hofes haben sich die beiden nach und nach aufgebaut. Überhaupt war der Hof am Anfang ein Experiment. Nach Simones zweiter Schwangerschaft ging sie nicht mehr in ihren Job als Unternehmensberaterin zurück, sondern widmete sich ihren Kindern und Kräutern. Matthias, eigentlich gelernter Elektriker, nutzte indes die Vaterkarenz und konnte so ausprobieren, ob der Hof eine Zukunft hat. Die beiden waren sich einig: „Das ist super!“, und so wuchs der Wirtseppelerhof zu einem Bio-Bauernhof mit einer besonderen Philosophie.
„Alles, was man macht, muss nachhaltig sein“ ist Simones und Matthias‘ Leitsatz. „Man darf der Natur keinen Schaden zufügen, keine Gifte nutzen und die Natur nicht ausbeuten.“ Nach dieser Überzeugung führen sie ihre Mutterkuhhaltung und die Landwirtschaft. Die Kühe, Schweine, Enten und Hennen dürfen daher besonders viel Freiheit und Bewegung genießen. „Auch wenn das eigentlich unwirtschaftlich ist, weil sie ja viel mehr Energie verbrauchen, wenn sie so viel rennen.“
Nachhaltig und biologisch erzeugt – Kartoffeln vom Seefelder Hochplateau
„Wir lernen unser Leben lang etwas dazu und das ist auch eine ganz wichtige Sache in der Landwirtschaft. Man darf die Augen nicht verschließen, sondern sollte sich weiterbilden und immer hinterfragen, ob das passt, was man da gerade so macht.“, sagt Simone
Zeit für das, was wichtig ist
Im Sommer 2019 war es ein ganz besonderer Vorteil, dass die beiden sich viel Zeit für ihre Tiere nehmen können. „Eine unserer Kühe ist im Rotmoos abgestürzt und in den Latschen hängen geblieben.“ Der Hirt fand das völlig geschwächte Tier. Es folgte eine spektakuläre Rettung: per Hubschrauber wurde die Kuh Hanni ins Tal geflogen. Auf der Hämmermoosalm pflegte Matthias sie zwei Tage lang, bis sie auf den Hof zurückkehren konnte. „Es geht ihr wieder super“, freut er sich. Und mehr als das: Im Februar brachte Hanni ihr Kälbchen auf die Welt, das sie auch während des Absturzes zum Glück nicht verloren hatte. „Das war nur möglich, weil wir die Zeit und Möglichkeiten auf unserem Hof haben.“
Auch ihre Eltern helfen noch tatkräftig mit. Der Zusammenhalt ist auf dem Generationenhof wichtig. Simones Papa und Matthias‘ Eltern packen an, wo es nötig ist: Im Stall, auf dem Feld, in den Ferienwohnungen, mit den Kindern. Simone und Matthias wollen mit ihrem Hof und viel junger Energie beweisen, dass ein Vollerwerb auch heute sehr wohl funktionieren kann. Ihr Ziel ist es, dass der Hof auch für zukünftige Generationen attraktiv bleibt und vorleben, was sich aus der Landwirtschaft alles machen lässt. Für die Zukunft sprüht Simone noch vor Ideen, was sie alles noch gerne tun würde. „Schauen wir mal, wo die Reise so hingeht!“, sagt sie gelassen und wieder schallt ihr freudiges Lachen über den Hof.
Bäuerin Simone Neuner vom Wirtseppelerhof
Simones Tipps im Frühjahr: Pflanzen am Balkon & Garten einsetzen und ernten
Simones Kräutergarten blüht im Sommer in voller Pracht. Uns hat sie ein paar Tipps verraten, was man jetzt im Frühjahr im Garten und Balkon einsetzen kann. Das Frühjahr ist die beste Jahreszeit, um Kräuter und Blumen anzupflanzen und wenn draußen in der Natur langsam alles grün wird und zu blühen beginnt, zieht es auch uns in die Gärten. Doch Vorsicht: nicht alles kann jetzt schon ausgesetzt werden. Nicht nur in der hoch gelegenen Leutasch kann es teilweise Minusgrade in der Nacht haben oder sogar noch schneien. Beides würde den zarten Pflänzchen schaden. Mindestens bis zu den „Eisheiligen“ im Mai sollte man vorsichtig sein.
Bevor es ans Einsetzen der robusteren Pflanzen geht, sollten die Beete als ersten Schritt wieder auf Vordermann gebracht werden. Man befreit sie von Beikräutern und versorgt die Böden mit einem biologischen Dünger mit reichlich Nährstoffen. Die jungen Pflänzchen werden es später danken. Radieschen, Kartoffeln, Erbsen und Rettich als Samen vertragen das Klima sehr gut und dürfen jetzt schon im Garten und auf dem Balkon eingesetzt werden.
Alle Pflanzen sollten in der Nacht zugedeckt werden, um sie zu schützen.
Jetzt ist außerdem schon die richtige Zeit, um Wurzeln zu ernten. Besonders die Wurzeln von Löwenzahn oder Kren (Meerrettich) lassen sich ernten.
Tomaten, Gurken und Zucchini sind kälteempfindliche Pflanzen, die man besser noch nicht aussetzen sollte. Das gleiche gilt für Kräuter, mit ihnen wartet man am besten bis nach den Eisheiligen. So lange dürfen Rosmarin, Thymian, Oregano, Zitronenmelisse, Basilikum und Schnittlauch und Co. lieber noch an geschützten Orten bleiben.
Sobald es auch Nachts nicht mehr friert, können die jungen Pflanzen gesetzt werden
Simones Rezepte für die Gesundheit: Auf Kräutersuche in der Natur
Gerade in Zeiten wie diesen braucht unser Immunsystem einen Extra-Boost und wir sehnen uns mehr denn je nach einer Auszeit in der Natur. Simone hat zwei Rezepte für uns, mit denen man sich bei einem erholsamen Spaziergang die heilsamen Kräfte der Natur zunutze machen kann.
Löwenzahnknospen als Kapern-Ersatz
Löwenzahn ist alles andere ein als Unkraut, sondern sogar richtig gesund. Er ist immunstimulisierend, entzündungshemmend, stoffwechselanregend, blutreinigend, mobilisierend und hilft bei Kopfschmerzen – um nur einige seiner heilsamen Eigenschaften zu nennen. Verwertbar sind alle Teile des Löwenzahns: die Blüten, Knospen, Blätter und Wurzeln. Simone sammelt gerne die ganz kleinen Knospen, die sich in der Mitte der Blätter bilden. Ganz wichtig ist dabei, dass die Knospen noch keinen Stiel haben. Sobald sie einen Stiel-Ansatz haben, bilden sie die kleinen Widerhaken. Wichtig ist auch, dass nur abseits von Hundeplätzen bzw. Hundegassistrecken, abgelegen von stark befahrenen Straßen und auf ungedüngten Wiesen gesammelt wird. Die köstlichen, zarten Knospen werden direkt nach dem Pflücken mit etwas Wasser, Zucker, Honig und Salz in Apfelessig eingelegt. So können sie genossen werden wie Kapern, sie machen sich damit hervorragend im Salat, zur Jause und vielen anderen Rezepten. Auch ein Tee aus den Löwenzahn-Blättern ist ein echter Energiebooster im Frühjahr: Dazu einfach ein paar frische oder getrocknete Blätter mit heißem Wasser aufkochen und den Tee genießen.
Der perfekte Zeitpunkt um die Löwenzahnknospen zu ernten
Brennnessel als Energiebooster im Frühjahr
Eine weitere großartige Pflanze ist die Brennnessel. Sie ist im Frühjahr auch als Stärkungspflanze bekannt. Die Liste ihrer Wirkungen ist lang: die Brennnessel wirkt unter anderem stoffwechselanregend, verdauungsfördernd, blutreinigend und -stillend, blutzuckersenkend und entschlackend. Sie hilft bei Stress, Müdigkeit, Erschöpfung, bei Leistungs- und Gedächtnisschwäche. Simone weiß: hätte die Brennessel keine schmerzhaften Nesseln, wäre sie schon längst ausgerottet, weil sie so tolle Heilwirkungen hat! Egal ob pulverisiert, frisch oder getrocknet als Tee, im Kräutersalz oder in der Kräuterbutter, die Brennnessel lässt sich auf viele Arten verwenden. Auch kann man einen Sud für Pflanzen im Garten, Balkon und Haus damit ansetzen und sie damit stärken – ein natürlicher Bio-Dünger also. Verwenden kann man vom Blatt bis zur Wurzel alles von der Brennnessel. Beim Ernten gilt das gleiche wie bei allen Pflanzen, die man verwenden will: gesammelt wird abseits von Hundeplätzen bzw. Hundegassistrecken, abgelegen von stark befahrenen Straßen und auf ungedüngten Wiesen. Bei der Brennnessel empfiehlt es sich auch, ein paar Handschuhe zu tragen, um sich nicht an den (der Name verrät es schon) brennenden Nesseln zu stechen.
Das Frühjahr ist jetzt der perfekte Start, um einen „Haustee über das Jahr“ zu machen. Simone sammelt dazu vom Frühjahr bis in den Herbst im Garten und Co. Kräuter und Pflanzen, die sie in ihren Haustee gibt. So lässt sich die Kraft der Natur lange genießen, auch wenn das Frühjahr und der Sommer vorbei sind.
Der Wirtseppelerhof
Der Wirtseppelerhof in Leutasch hat drei Ferienwohnungen für einen idyllischen Urlaub inmitten der Natur. Simone und Matthias zeigen ihren Gästen gerne ihr Leben am Hof und die gelernte Kräuterpädagogin Simone gibt Kräuterführungen. Im Hofladen werden die eigens hergestellten Produkte verkauft: „Wir möchten nur Gesundes aus eigenem Anbau anbieten!“. So findet man im Laden Eier, saisonales Gemüse, Kartoffeln, Würste, Sirup, Tees, Kräutertinkturen, Geschenke und noch vieles mehr in Bio-Qualität. Auch Tomaten- und Salatpflanzen gibt es im Hofladen. Der Hofladen ist 24 Stunden geöffnet und versteht sich als Selbstbedienungs-Hofladen.
Beim Leutascher Adventmarkt verkaufen Simone und Matthias im Winter ihre köstlichen Kartoffelspirali vom eigenen Anbau und Heißen Holler. Eine Einkehr an ihrem Stand lohnt sich also auf jeden Fall!
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