30. Oktober 2020
ARBEITEN & LEBEN
Bio-Ortswärme Seefeld: Energie aus Biomasse
Wer die Bundesstraße nach Seefeld nimmt, der passiert unterwegs ein unscheinbares Bauwerk in grün: Die Bio-Ortswärme Seefeld. Hier wird aus regionaler Biomasse Wärme und nachhaltiger Ökostrom für zahlreiche Haushalte und Betriebe in der Region erzeugt. Geschäftsführer und Energiespezialist Dipl. Ing. Andreas Glatzl lässt uns hinter die Kulissen der umweltfreundlichen Ortswärme blicken.
Es ist ein warmer und sonniger Herbsttag in Seefeld als uns Chefingenieur Andreas Glatzl im Hof der gut sechzehn Meter hohen Brennanlage begrüßt. Zwanzig eindrucksvolle Jahre Erfahrung mit erneuerbaren Energien, vierzehn davon als Geschäftsführer der Ortswärme Seefeld – der Mann brennt mit Herzblut für die Umwelt. Gerade als er uns die riesigen wettergeschützten Lagerstellen im Freien vorstellt, rollt ein schwerer Containerlaster in die Anlegebucht und bringt frische Biomasse für die Brennkessel. Kurz staunen wir wie kleine Kinder als der Transporter tonnenweise Hackschnitzel zu duftenden Holzbergen türmt, dann folgen wir der Produktionskette nach drinnen.
Inferno veritas.
Hier brennt das ewige Höllenfeuer von Seefeld – aber ganz sündenfrei, betont Herr Glatzl grinsend und deutet auf die hochkomplexe Abgasfiltertechnik. Nach vierfacher Filterung kommt aus dem Kamin kein sichtbarer Rauch mehr, denn selbst die Abwärme der Abgase wird hier noch verwertet. Durch eine kleine Luke lodert uns das Inferno mit gut 800 Grad entgegen, wir schwanken beeindruckt zwischen Gänsehaut und Schweißausbruch. Mit der Abwärme der beeindruckenden Brennkammer erzeugt die Thermoölanlage (nutzt Spezialöl als Wärmeträger) so insgesamt gut 6.500 Kilowatt Wärmeenergie aus Biomasse. Diese gelangt dann über ein kilometerlanges, speziell isoliertes Leitungssystem zu den Endabnehmern im Ort. Mit der größten Dichte an Wellnessbetrieben im Alpenraum kommt in der Region natürlich einiges an Wärmebedarf zusammen, rechnet der Geschäftsführer anschaulich vor. Heute nutzen fast alle der lokalen Großbetriebe die umweltfreundliche Wärmeenergie der Bio-Ortswärme Seefeld, außerdem produziert das Heizwerk seit 2017 auch Ökostrom – für gut 1.100 Haushalte in ganz Seefeld.
Nachhaltig konkurrenzfähig.
Sowohl preislich als auch beim Energie-Angebot bleibt man dabei durchaus konkurrenzfähig, denn mit kurzen Lieferwegen und effizienten Leitsystemen werden die Vorteile der lokalen Bio-Brennanlage direkt an die Endkunden weitergegeben. Anfangs bedurfte das natürlich einiger Überzeugungsarbeit, erinnert sich Chefingenieur Andreas Glatzl an die initiale Gründungsphase. Mit Bürgermeister Werner Frießer, Edi Hiltpolt und Markus Gapp entstand Anfang 2006 die gemeinsame Vision einer nachhaltigen Energielösung für Seefeld. „Es gab damals die Idee einer kleinen Hackschnitzelheizung für das neue Sport- und Kongresszentrum (SKZ), heimgefahren sind wir dann aber mit der Vision etwas Größeres zu schaffen.“, erinnert sich der Geschäftsführer. „Es galt die Ökologie und Ökonomie am Sonnenplateau in einer sinnvollen und nachhaltigen Kreiswirtschaft zu vereinen – zukunftssicher und ausbaufähig.“
Neben Wärme aus Biomasse liefert das Heizwerk darum heute auch Grünstrom aus Kleinwasserkraftwerken und Photovoltaikanlagen. Und wo privat etwas Biomasse anfällt (bei Baum- und Gartenarbeiten etwa) schickt die Ortswärme Seefeld einen kostenlosen Abholdienst und befüttert damit dann wieder die Brennöfen an der Bundesstraße.
Think big for business.
Das Wichtigste für die Endkunden sind dabei natürlich Sicherheit und Service-Komfort – auch das wird im Bio-Wärmewerk Seefeld ganz groß geschrieben, erklärt Cheftechniker Glatzl im Kontrollraum der Heizanlage. Hier hat immer jemand Bereitschaft, rund um die Uhr, natürlich auch an Feiertagen. So gab es in den gut 14 Betriebsjahren auch keine einzige ungeplante Störung, ein bisschen stolz sei man darauf schon auch. Außerdem läuft das Hightech-System komplett automatisiert und fernüberwacht, so können die Techniker auch unterwegs alle Abläufe sicher verschlüsselt und in Echtzeit kontrollieren.
Dass die umweltfreundliche Energiewirtschaft in Seefeld mittlerweile aber fast selbstverständlich ist, freut den Nachhaltigkeitsexperten am allermeisten. Am liebsten steigt er darum auf das kleine Flachdach der Anlage, blickt weit über Seefeld und auch ein bisschen zurück: „Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“, grinst Glatzl.
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