von Kathrin Ebenhoch
29. April 2024
Alex Pankiewicz und Alexander Gaugg
Die Männer hinter dem Banger Park
Die Entstehung des Banger Parks in Scharnitz ist eigentlich ein großer Glückfall: Zwei Männer, der Pole Alex Pankiewicz und der Scharnitzer Alexander Gaugg, trafen sich rein zufällig, verstanden sich aber dank ihrer gemeinsamen Leidenschaft fürs Snowboarden sofort. Aus der gegenseitigen Sympathie wurde in den vergangenen sechs Jahren mit viel Mut und Enthusiasmus eine Erfolgsgeschichte. Und das nicht zuletzt dank ihrer beider Expertise. Pankiewicz brachte Idee, Geld, Unternehmergeist und fundiertes Wissen um die Freestyle-Szene im Wintersport ein, Gaugg sein Wissen in Geotechnik, Wasserbau und Bauingenieurwesen sowie die nötigen Kontakte zur Tiroler Administration. „Wir haben uns gegenseitig gebraucht“, sagt Gaugg. „Eine echte win-win-Situation“, pflichtet Pankiewicz ihm bei.
Der 33-jährige Pole erinnert sich noch genau an den Tag, an dem er den alten Brandlift zum ersten Mal sah. „Ich war auf dem Weg nach Garmisch-Partenkirchen, hatte im Zillertal und an einige anderen Orten schon vergebens nach einem Terrain für meine Idee von einem Airbag-Schanzenpark für Snowboarder gesucht und war gerade am Telefon.“ Sein Blick schweifte nach rechts, als er auf Scharnitz zufuhr, und es machte klick. „Ich sagte schnell, ich rufe zurück, legte auf und bog in den Feldweg ein.“ Pankiewicz war sofort klar, das ist er, dieser Hang ist sein Terrain. Als er auf den Parkplatz fuhr, stand Gauggs Neffe gerade dort. Die beiden kamen ins Gespräch, riefen gemeinsam bei Gaugg an. Und am nächsten Tag fand das erste Treffen in Innsbruck statt.
Er kam, sah und überzeugte
„Alex kam in mein Büro“, erinnert sich der Scharnitzer. „Und sagte mir, ich will den Lift und den Hang kaufen.“ Obwohl Gaugg schon lange mehr in den Lift einzahlte als herausbekam und oft seinen gesamten Urlaub im Lifthütterl beim Bügelreichen verbrachte, war dies keine Option für ihn. „Der Lift ein Erbstück meines Vaters. An der Talstation ist sogar ein riesiges, gemaltes Bild von mir, das er in meiner wildesten Snowboardzeit dort anbringen ließ.“ So etwas gibt man nicht her. Die beiden einigten sich auf Pacht, und Gaugg war skeptisch. Der Plan von Pankiewicz dort ein Sommertrainingszentrum für Snowboarder auf Airbags zu bauen, klang spannend, aber auch sehr ambitioniert. „Wie soll das gehen?“, hab‘ ich ihn gefragt. „Das soll nicht deine Sorge sein“, kam als Antwort.
Pankiewicz hatte eine Vision. In Breslau geboren, hatte der 33-Jährige früh mit dem Kunstturnen angefangen. „Bis 18 verfolgte ich meine Karriere sehr professionell, nahm an vielen nationalen und internationalem Wettbewerben teil.“ Sein Training erfolgte nach der sowjetischen Methode, war extrem fordernd, aber nie gefährlich. „Wir lernten jede Bewegung, jeden Sprung Schritt für Schritt, immer abgesichert über Trampoline, Netze und Gurte, an denen man uns nach oben ziehen konnte ehe wir aufprallen.“ Selbst auf dem höchsten Level, sei im Turnen nichts gefährlich, weil die Athlet:innen ihrer Kunststücke erst dann auf dem harten Mattenboden machen, wenn sie wirklich sicher darin sind.
Der Wunsch nach Sicherheit
Mit 18 wechselte Pankiewicz zum Snowboarden, versuchte sein turnerisches Können auf dem Snowboard umzusetzen und dort erfolgreich zu werden. Doch schon die ersten Trainingseinheiten brachten eine gewisse Ernüchterung. Auf die Frage, „Was macht ihr, wenn ihr den Trick nicht steht?“, hieß es: „Dann rufen wir den Helikopter.“ Diese Tatsache wollte der ehemalige Turner nicht hinnehmen. In seinem Hirn begann es zu arbeiten. Sein klares Ziel: Eine sichere Trainingsmethode für den Freestyle-Sport zu finden. „So viele Talente entwickelten sich nicht, weil sie sich verletzten oder das Risiko scheuten.“ Auch viele Tricks ließen sich nicht sinnvoll trainieren, da man immer alles, von der Abfolge in der Luft bis zur Landung, mitdenken musste. „Mit den Airbags sind die Landungen heute ungefährlich, so kann man einen Trick in seine einzelnen Schritte zerlegt trainieren, ohne an eine sichere Landung denken zu müssen“, erklärt Pankiewicz die Vorteile vom Banger Park.
Leidenschaft siegt über Skepsis
Obwohl Gaugg anfangs skeptisch war, ob die ambitionierten Pläne von seinem Namensvetter auch aufgehen würden, war er sofort mit „on Board“. „Ich hab‘ mit circa 13 Jahren mein erstes Snowboard bekommen, den damaligen Burton Cruzer, und war von da an immer damit unterwegs“, erinnert sich der Scharnitzer. „Darum hat mich die Idee sofort gereizt.“ Gemeinsam begannen sie zu planen. Pankiewicz entwarf die erste Schanze samt selbst entwickeltem Airbag, Gaugg zeichnete Pläne, holte Genehmigungen ein und bohrte einen Grundwasserbrunnen samt Tank für die zur sicheren, reibungsfreien Landung nötige Bewässerung der Airbags. Nach viel Bauen und Umbauen war die erste Schanze schließlich Ende 2017 einsatzbereit für die ersten Testsprünge.
Da nahm Pankiewicz sein Telefon und rief den Trainer von Snowboard-Doppelolympiasiegerin Anna Gasser an. „Ich hatte früher schon einmal mit ihm über meine Pläne gesprochen, und er meinte, ruf mich an, wenn du soweit bist. Das habe ich dann getan.“ Und ein paar Tage später stand Gasser in Scharnitz und testete den Banger Park Prototypen. „Das war der Moment, in dem ich mir dachte, das könnte echt was werden“, erinnert sich Gaugg und gesteht bei aller Begeisterung doch lange Zweifel gehegt zu haben.
Von der Vision zum Mekka
Es dauerte nicht lange bis sich in der gesamten Szene herumsprach, dass in Scharnitz ein Sommer-Trainingspark entsteht, so wie man in bisher nur aus Japan kannte. „Es war verrückt, ich hatte keine Ahnung, wie ich den Park führen sollte“, erzählt Pankiewicz. Doch er wuchs mit seinen Aufgaben, ergatterte eine Kooperation mit Burton, von der er als junger Snowboarder immer geträumt hatte, und setzte sich schon bald an die Planung neuer Schanzen und Anlagen. Nach den Snowboardern kamen die Freeskier, und der Rest ist heute, 2024, schon Geschichte.
Der Banger Park ist mittlerweile in der Szene nicht mehr wegzudenken. Olympiasieger:innen und Weltmeister:innen aus aller Welt nutzen ihn fürs Sommertraining. Er hat das Level der springbaren Tricks und das Training revolutioniert. „Früher hat man sich über den Sommer mit seinen schlechten Bedingungen in den wenigen Gletscherskigebieten drüber gerettet, und erst mit Winterbeginn wieder richtig zu trainieren begonnen. Heute wird im Sommer trainiert und im Winter liegt der Fokus auf den Wettkämpfen“, erklärt Pankiewicz. Wer im Sommer nicht in Scharnitz trainiert, ist im Winter weg vom Fenster, da sind sich alle Athlet:innen einig. Mit der neuesten Schanze, die im Herbst 2023 eingeweiht wurde und über zwei seitliche Anläufe für Halfpipe-Spezialisten verfügt, ist der Banger Park zudem weltweit einzigartig geworden. „Nirgends sonst gibt es diese Art Schanze“, sagt der Gründer stolz.
Die Zukunft beginnt jetzt
Ausruhen wird er sich jetzt, wo das Areal am Brandlift mehr oder minder vollständig ausgenutzt ist, allerdings nicht. Denn er und Gaugg teilen einen Traum: „Wir hätten gern eine One-Stop-Lösung mit sauberem Basisgebäude, Umkleiden, Duschen, Kraftraum und Trampolinpark“, erlaubt sich Gaugg kurz zu träumen. „Ach ja und den Lift würde ich auch gern zum Laufen bringen, frisch hergerichtet wäre er ja.“ Der Weg dorthin wird noch ein langer sein, denn die Genehmigungsverfahren sind komplex. Doch wer weiß, wie weit Alex und Alex mit ihrem unerschöpflichen Enthusiasmus und Ideenreichtum noch kommen werden! Zu Saisonbeginn 2024 geht mit einem Zauberteppich am neuen Sidehits Jumps bereits die nächste Neuerung in Betrieb.
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