von Kathrin Ebenhoch
09. März 2023
WINTER
Endloses Glitzern: Der Zauber einer Winternacht auf der Hütte
Wie kuschelig ist es an einem Winterabend in einer echten Almhütte? Wie schläft es sich im Schlafsack eingemummelt, wenn draußen leise Flocken vom Himmel fallen? Was funkelt abends mehr - die Sterne oder der eiskalte Schnee? Wie fühlt es sich an, morgens beim ersten Sonnenstrahl Spuren in den frischen Schnee zu machen? Die Antworten auf diese Fragen gibt’s in der Region Seefeld. Denn auf Tirols Hochplateau heißen einige Hütten auch im Winter Übernachtungsgäste willkommen und bieten damit ein ganz besonderes Wintererlebnis.
Unsere Kinder, sechs und zehn Jahre alt, lieben es auf Hütten zu schlafen. Eine Nacht am Berg, mit dem Abenteuer von Auf- und Abstieg und dem wohligen Zusammenkuscheln im Matratzenlager, toppt jeden anderen Kurzurlaub. Im Sommer haben wir schon einige dieser „einfach mal weg vom allem“-Kurztrips gemacht, die Wintererfahrung hat uns bisher noch gefehlt. Grund genug, das in den Semesterferien endlich nachzuholen. Unser Ziel, die idyllisch auf 1717 Metern gelegene Wettersteinhütte am Beginn des Leutascher Gaistals. Sie verspricht nicht nur eine nette zweistündige Wanderung mit traumhaftem Panorama, sondern auch eine Übernachtungsmöglichkeit im urigen Matratzenlager sowie am nächsten Morgen eine rasante Rodelpartie zurück ins Tal. Also alles, was unsere abenteuerlustigen Herzen begehren.
Motivationsprogramm zum Aufstieg
Die Sonne steht schon relativ tief, als wir uns vom Parkplatz Stupfer im Gaistal auf den Weg machen. Die Rucksäcke auf der Schulter, die Rodel im Schlepptau beginnt unser Abenteuer. Motivation für den Aufstieg liefern die pinken Schilder des Winterwanderwegs auf die Wettersteinhütte, die alle 500 Metern anzeigen, wie weit man schon gekommen ist. Zudem entbrennt das interne Rennen gegen die langsam sinkende Sonne – schaffen wir es oben zu sein, ehe sie untergeht? Und dann ist da noch die verschneite Landschaft, zu der man allerlei Geschichten von Feen oder Waldgeistern erfinden kann. Oder aber in der man unzählige Tierspuren entdeckt, die den schulischen Sachunterricht plötzlich mit Leben füllen. „Das waren Fuchs und Hase; da hatte der Fuchs wohl ein gutes Abendessen“, meint der Zehnjährige wissend. „Nein, die haben sich nur gute Nacht gesagt“, wirft die Sechsjährige im Vertrauen auf ihr Lieblingsbuch ein. Wir Eltern lassen das einfach mal unkommentiert und genießen das sanfte Rauschen der Bäume, das uns den gesamten Weg bergauf begleitet. „Äh, apropos Abendessen, ich hab‘ Hunger, wann sind wir endlich da?“, unterbrechen die Kinder die Stille. Das nächste Schild vom Winterwanderweg gibt Auskunft, noch ein Kilometer. „Soooo weit?“ – „Na ja, drei haben wir schon geschafft, und was meint ihr, wie gut der Kaiserschmarrn da oben schmeckt“, werfe ich den nächsten Motivationsgrund in die Waagschale.
1960 wie 2023 – einfach beeindruckend
Und dann, hinter der nächsten Kurve, ist alles Jammern vergessen, denn man sieht sie plötzlich: Die 1961 erbaute Wettersteinhütte thront auf ihrem Vorsprung über dem Taleinschnitt, in den wir gerade einbiegen. Die schlichte weiße Wand wird von der Sonne angestrahlt und lässt sie vor dem Wald, der sie umgibt, besonders leuchten. Die letzten 500 Meter zur Hütte verlangen uns noch einmal alles ab: Sie sind steil und rutschig. Kaum vorstellbar, dass hier 1960 die Steine und Balken zum Hüttenbau zu Fuß hinauftransportiert wurden. Was die Leutascher wohl antrieb, hier eine Hütte zu errichten? 2023 treibt uns die Aussicht auf den viel gelobten Kaiserschmarrn weiter. Und unser Rennen gegen die Sonne, das wir knapp gewinnen: Mit dem letzten Sonnenstrahl betreten wir die Terrasse. Der Ausblick, der von der Seefelder und der Reither Spitze über das Inntal und die Hohe Munde bis tief ins Gaistal hinein reicht, ist atemberaubend. Das warme Licht, das aus den kleinen Fenstern der Hütte scheint, einladend.
Hüttenwirtin Beate empfängt uns in der Tür, die schweren Winterstiefel werden gegen Hüttenschlappen getauscht und schon können wir unser Nachtlager anschauen. Im großen Hauptlager, das bis zu 18 Gäste beherbergen kann, warten vier Schlafplätze mit dicken Decken auf uns. Die werden wir wohl auch brauchen, denn im Lager ist es frisch, eine warme Heizung sucht man vergebens – diese urige Einfachheit gehört zum Hüttencharme!
Der Zauber einer Winternacht
Unten in der Stube prasselt aber das Feuer im kleinen Schwedenofen, und uns wird schnell wohlig warm. Der fluffige Kaiserschmarrn und der warm dampfende Kakao tun ihr Übriges. Die Kinder strahlen, während sie sich zufrieden einen verführerisch süßen Bissen nach dem anderen in den Mund schieben. Wir Eltern nehmen etwas Deftiges und ein Bier und werden damit genauso verwöhnt. Während des Essens ist es draußen dunkel geworden. Zeit noch einmal rauszugehen und nach den Sternen zu schauen. Davon gibt‘s hier oben, fern ab vom Licht des Tales, eine Menge. Ja, man erkennt sogar einen Streifen Milchstraße und ist verzaubert vom Funkeln da oben, und vom Funkeln des Schnees, der uns umgibt. „Da glitzert ja alles, ist das schön“, höre ich meine Tochter staunend flüstern und muss lächeln. Das simple Wunderwerk Natur wirkt auch 2023 noch. Mein Sohn sucht derweil einen Kometen, den er im Tal nie finden konnte und ist vollends beschäftigt – vergessen sind Smartphone, Fernseher und Spielkonsole.
Als uns langsam die Zehen einfrieren, gehen wir wieder rein, kuscheln uns zum Schwedenofen und stöbern durch die alten Spiele, die Beate und ihr Mann Hans in einem Kasten aufbewahren. Mühle, Pferderennen, Watten, Mensch-ärger-dich-nicht – der Abend vergeht wie im Flug. Nach einer kurzen Katzenwäsche – denn auch im Bad ist es urig frisch – geht‘s hinauf ins Lager. Wir haben Glück, oder was die Wärme angeht, vielleicht auch Pech, denn wir sind heute die einzigen Übernachtungsgäste. Also ziehen wir die warme Skiunterwäsche und unsere dicken Socken einfach wieder an. In unseren Hüttenschlafsäcken kriechen wir unter die warmen Daunendecken und schalten das Licht aus. Mit einem Mal ist es stockdunkel und komplett still, eine immer wieder faszinierende Erfahrung in unserer so lauten Welt.
Nur für uns
Neun echt erholsame Stunden später wecken uns die ersten Sonnenstrahlen und das Rumoren in der Hütte. Beate und Hans bereiten den Tag vor. Noch etwas schlaftrunken schlüpfen wir in unsere Skihosen und treten auf die Terrasse. Die Sonne kitzelt unsere Nase, ein paar Vögel zwitschern schüchtern, der Wind rauscht durch die Tannen wie bei Heidi. Es ist perfekt und alles, der Ausblick, die Hütte, der Schnee, die Sonne scheint nur uns zu gehören…
Als wir mit Staunen fertig sind, wartet drinnen unser Frühstück – selten hab‘ ich meine Kinder mit so viel Appetit essen sehen. Doch der Anblick währt nur kurz, denn draußen gibt es die weiße Pracht, den Spielplatz, der langsam wieder unter der Schneedecke hervorkommt, und das Abenteuer Natur zu entdecken. Wir Eltern genießen die Ruhe, lassen uns Zeit und ratschen mit Hans und Beate. Irgendwann lockt uns dann aber doch die Rodelpartie gen Tal: Vier Kilometer rasante Abfahrt warten auf uns. Auf den ersten 500 Metern steigen wir mehrmals ab, denn sie sind steil, haben enge zum Abhang hin nicht gesicherte Kurven und sind definitiv nur von sehr erfahrenen Rodlern mit guter Ausrüstung und bei weichen Schneeverhältnissen fahrend zu bewältigen. Der Rest des Weges macht aber riesig Spaß. Den Abzweig zum Parkplatz Strupfer nimmt nur mein Mann, denn auch der ist wieder sehr steil und eng. Ich bleibe mit den Kindern auf dem Forstweg nach Klamm zum Parkplatz Nr. 12, und wir geben nochmal richtig Gas. Unten angekommen, blicke ich in vier funkelnde Kinderaugen und werden empfangen von „Wann schlafen wir wieder auf der Wettersteinhütte? Morgen?“
Packtipps:
Wer nur eine Nacht auf der Hütte schläft, braucht auch im Winter nicht viele Sachen – schließlich muss ja alles hinaufgetragen werden. Ein paar Tipps, was trotzdem nicht fehlen sollte:
• Wechselkleidung – va. Skiunterwäsche, Rolli, Socken
• Warme Sachen zum Schlafen
• Für die Hütte – Skiunterwäsche, Trainingshose, warmes Langarmshirt, Pulli, Socken
• Hüttenschlafsack
• Hüttenschuhe – notfalls gibt es aber meist welche zu leihen
• Stirn- oder Taschenlampe
• Waschzeug – hier kann gespart werden – Zahnbürste und Waschlappen reichen aus
• Für die Kids: kleines Stofftier, Lieblingsbuch, Fernglas
• Für den Aufstieg: kleine Jause und Trinkflaschen
• Für die Rodelpartie: Helm
Hütten mit Übernachtungsmöglichkeiten im Winter
Wettersteinhütte: wie oben beschrieben, urig, klassisches Lager, warme Sachen und Hüttenschlafsack nicht vergessen.
Ropferstub’n: mit dem Auto erreichbar. Übernachtung in Appartements, Sauna und Skikeller sind vorhanden.
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