von Kathrin Ebenhoch
02. August 2023
Sommer
Rollen statt Gleiten
Wie Skirollern die Sehnsucht nach dem Winter stillen kann..
Eigentlich hatte ich das Laufen mit Skirollern immer als Training für die Profis abgespeichert. Warum sollte ich als Hobby-Langläuferin schon auf diese komischen, kurzen Metallschienen mit Rollen steigen? Schließlich gab es ja Fahrrad, Wanderschuhe und co, um sich im Sommer fit für den Winter zu halten. Doch irgendwie freue ich mich schon wieder auf den Winter und das Langlaufen. Und so wurde in den vergangenen Tagen der stete Anblick der Skirollerstrecke meines Heimatorts Seefeld immer reizvoller.
Die erste Abfahrt
Ich nehme meine Kinder mit, auf Inlineskates. Und spätestens als ich sie damit losflitzen und an der ersten Abfahrt gekonnt mit ihren Gummipropfen bremsen sehe, frage ich mich, warum ich nicht auch einfach diese Variante gewählt habe. Denn eine Bremse, die mir an meinen Skirollern fehlt, hätte ich gerade nur allzu gern. Doch ich habe meinen Stolz. Die Bremstechniken habe ich mir im Vorfeld von einem befreundeten Langlaufcoach erklären lassen und auf der zugegeben recht flachen Straße vor dem Haus geübt, außerdem weiß ich, dass ich die klassische und die freie Technik das Langlaufens ausreichend beherrsche – ähm, zumindest auf Schnee.
Das Anziehen der Skiroller im Stehen ist kein Problem, der erste Doppelstockschub klappt auch. Doch dann steh‘ ich vor der ersten Abfahrt, und aller Mut ist dahin. Ich hatte mich zwar extra aufgrund der deutlich langsameren Rollen für die Klassikvariante der Skiroller entschieden, aber langsam kommen sie mir gerade gar nicht vor; im Gegenteil. Mein Sohn, der auf seinen Inlinern Kreise um mich läuft, fragt lachend: „Hast du Schiss, Mama?“ „Ja“, gebe ich zu und pfeife auf meinen Stolz. Ich schnalle ab und gehe die erste Abfahrt zu Fuß.
Die Strecke ist im Unterschied zu jenen in vielen anderen Regionen öffentlich zugänglich; darf also von jedem, der ein Ticket löst, auf Skirollern oder Inlineskates genutzt werden. Das rund drei Meter schmale Teerband, das sich durch die grüne Wiese schlängelt, verläuft großteils so wie die Nachtloipe A1, umfasst aber auch einen Teil der WM-Loipe C1. Dieser steile C1-Anstieg macht deutlich, warum Skirollern den Profis vorbehalten zu sein scheint. Der flache Teil der A1 dagegen wirkt sympathisch, die weichen Wiesen drumherum beruhigend. Also traue ich mich und starte das Projekt Skirollern.
Tipps von den Profis
„Viele Leute unterschätzen die Tatsache, dass Skiroller keine Bremse haben, und das falsche Equipment schnell zur Waffe werden kann“, sagt Martin Tauber, der als ehemaliger Weltcupprofi nicht nur tausende von Kilometern auf Skirollern zurückgelegt hat, sondern mit seiner Langlaufschule XC-Academy Seefeld auch Unterricht in der Sommervariante des Langlaufens gibt. „Die Kurse im Sommer werden zwar deutlich weniger gebucht als im Winter, aber ebenso von Leuten mit ganz unterschiedlichem Background.“ Die Kunden reichen vom Wettkampfläufer über den sportlich ambitionierten Hobbyläufer bis zum blutigen Anfänger.
Eine Tatsache, die sich auch auf der Skiroller-Strecke spiegelt. Ich treffe Profis, Nachwuchsläufer, ambitionierte Hobbyläufer und selbst den ein oder anderen Pensionisten, der noch ein wenig wackeliger auf den Rollen steht als ich. Den meisten von uns würde Tauber wohl raten, einen Kurs zu machen. „Das Wichtigste ist, dass man die Bremstechniken und das Steuern beherrscht. Dann ist es eigentlich eine sichere Angelegenheit.“ Und das Equipment sollte stimmen. Immer wieder kämen Kunden mit Rennrollern oder günstigen Skirollern mit Hartplastikrollen aus dem Internet zu ihm in die Langlaufschule. Beide Varianten sind für unerfahrene Läufer auf der kupierten Strecke in Seefeld viel zu schnell und können leicht zu unkontrollierbaren Waffen werden. „Ich empfehle wirklich jedem, sich im Fachhandel gut beraten zu lassen und lieber ein paar Euro mehr auszugeben.“
Taubers Tipps schließen sich auch Benedikt Ertl vom benachbartem Olympiastützpunkt in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) und der deutsche Langläufer Max Olex an. Beide verbringen viele Zeit auf der Seefelder Skiroller-Strecke. Olex zum eigenen Training, Ertl mit dem bayerischen Nachwuchs. Und beide wissen die Rollerbahn auf Tirols Hochplateau sehr zu schätzen. „Aufgrund ihres Profils, das dem der Wettkampfstrecken im Winter sehr ähnelt, ist sie für Profis top. Gleichzeitig ist sie aber auch für Hobbyläufer gut zu bewältigen“, sagt Olex. „Wenn man den C1-Anstieg und vor allem seine Abfahrt auslässt“, ergänze ich mit einem Grinsen. Nachwuchstrainer Ertl ist froh mit der Seefelder Rollerbahn eine gesetzeskonforme Trainingstrecke für seine Athleten zu haben. „Aufgrund der fehlenden Bremse ist Skirollern auf Geh- und Radwegen sowie auf Straßen in Deutschland und Österreich nämlich verboten.“ Es sei denn, man würde sich auf dem Gehsteig nur in Schrittgeschwindigkeit bewegen.
Muskelkater aber auch Genuss
Doch dieses minimale Tempo übertreffe sogar ich schon auf meinen ersten Metern, nachdem ich die Skiroller am Ende der Abfahrt wieder angeschnallt habe. Ich fühle mich nach den Gesprächen mit den Experten ein bisschen ertappt, ohne Kurs auf die Strecke gegangen zu sein. Doch ich schaffe es letztendlich, einige Runden – ohne den C1 Anstieg! – zu drehen. Nach dem ersten Verweigern sogar inklusive der Abfahrten. Die klassische Technik hat für mich dabei gut funktioniert. Doch kann ich Taubers Einwand, dass die klassischen Skiroller für Einsteiger nicht die richtige Wahl seien, am nächsten Tag nachvollziehen. Klassik-Roller sind ziemlich schwer zu steuern, mit ihnen zu laufen erfordert Konzentration, eine stabile Technik und einiges an Kraft und Ausdauer. Obwohl ich mich als technisch und konditionell halbwegs fit bezeichnen würde, habe ich den Muskelkalter meines Lebens. Meine Sprunggelenke, Oberschenkel, Hüfte und Gesäß haben wohl Schwerstarbeit geleistet, um gerade auf Spur zu bleiben und den Asphalt nicht bei einem unfreiwilligen Spagat zu küssen. Geschwindigkeit hin oder her, beim nächsten Mal werden es also die Skating-Roller werden mit stabilerem Schuh und einem Inliner ähnlichen Laufstil. Und eine offizielle Kursstunde werde ich mir auch gönnen, um das Thema Bremsen noch einmal zu vertiefen.
Doch zurück zum Abschluss meines Skirollerausflugs. Als ich am Ende zusammen mit meinem Sohn in die Seefeld Sport Arena hinaufschiebe, laufen die Skiroller rund, der Rhythmus stimmt, und ich fühle mich fast schon wie auf Ski; auch wenn das winterliche Glitzern eindeutig fehlt. „Ich mag das jetzt auch probieren“, tönt es da von meinem Neunjährigen. „Vielleicht nächstes Jahr“, gebe ich zurück. Denn beim Thema Kinder war vor allem Ertl sehr deutlich: „Unter zehn Jahren macht es gar keinen Sinn. Außerdem sollten die Kinder vorher unbedingt auf Inlineskates technisch sauber laufen können.“ Stelle man sie zu früh auf die schweren Skiroller, ginge der Spaß schnell verloren, und selbst bei Kindern, die schon länger unter professioneller Anleitung langlaufen, leide die Technik.
Bis zum Abklingen meines Muskelkaters bin ich wieder auf Laufschuhe und Bike umgestiegen. Trotzdem hat mich die Faszination für das „Langlaufen im Sommer“ nicht losgelassen. Meine erste offizielle Trainingsstunde ist daher gebucht. Und zuvor werd‘ ich der Strecke nochmal einen Besuch auf Inlineskates abstatten.
Informationen und Hinweise:
Die 3,8 Kilometer lange Rollerstrecke, die von der Seefeld Sports Arena Richtung Möserer Tal führt, darf nur mit Skirollern oder Inlineskates zu Trainingszwecken befahren werden. Die Nutzung zu Fuß, mit Kinderwägen, Laufrädern, Skateboards, Rollern oder Fahrrädern ist aus Sicherheitsgründen ausdrücklich verboten. Bitte beachten Sie die Benützungsordnung! Da viele Athleten mit hoher Geschwindigkeit auf der Rollerstrecke unterwegs sind, erhöht ein Fehlverhalten die Verletzungsgefahr für beide Parteien erheblich.
Das Tagesticket kostet € 8,00 und ist im Infobüro des Tourismusverband Seefeld am Bahnhof, im Ticketshop oder direkt beim Parkautomaten in der Seefeld Sports Arena erhältlich. Ferner gelten die Langlaufjahreskarten der Region Seefeld. Kinder bis 10 Jahre rollen gratis. Jugendliche im Alter von 10 bis 15 Jahren zahlen € 4,00. Trainingsgruppen müssen sich unter arena@seefeld-sports.at voranmelden.
Alle weiteren Infos gibt es unter:
https://www.wm-sportanlagen.at/seefeld-sports-arena/skirollerstrecke/
Turnschuh, Block und Bleistift sind Kathrins treueste Begleiter, denn schon immer war die zweifache Mutter vor allem im Sport und beim Schreiben zuhause. Stets auf der Suche nach neuen Geschichten sieht man sie so oft mit ihren Kindern und dem ein oder anderen Sportgerät durch die Gegend sausen. Während sie als freie Sportjournalistin häufig bei actiongeladenen Wettkämpfen unterwegs ist, entdeckt sie für uns gern die ruhigen Seiten von Tirols Hochplateau. Dabei liebt sie es vor allem von jenen kleinen Besonderheiten ihrer Wahlheimat zu erzählen, die man erst auf den zweiten Blick erkennt.
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